Diese Seite ist eine Liebeserklärung an meine Frau, Lebensgefährtin und Geliebte. Sie wurde am 13.12.1935 geboren und starb nach 16-jähriger Lähmung am 24.3.2000.     

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  Nicht nur zur Weihnachtszeit

    Krippe als Therapie

 

Weihnachtskrippe und Weihnachtskrippenbau als ein Weg zu Erikas Rehabilitation

                                                                                                              

Nicht nur zur Weihnachtszeit war unsere Krippe in den Jahren 1986 bis 1994 - 7 Jahre lang -   Mittelpunkt unseres Tuns und Denkens, für Erika war sie ein Mittel gegen ihre tiefen Depressionen, ein Anlass für zahlreiche Ideen, gemeinsame Planungen und Tätigkeiten, eine Zeit intensiver Partnerbeziehung und lustiger Ereignisse, tiefer Freude und Genugtuung über das Geschaffene, Stunden zahlreicher Gespräche und friedvollen Schauens, letztlich die Vermehrung der Chancen, mit dem gegenwärtigen leidvollen Erfahrungen fertig zu werden und Visionen eines neuen, lebenswerten Lebens zu entwickeln.

In diesen Jahren waren wir oft  unterwegs und darauf aus, Anregungen und Vorlagen für Figuren unserer Krippe zu bekommen.

    

  Fotos unserer Krippe

 

   

Ein Teil der Krippe entstand 

vor Erikas Krankheit

 

    

Erikas Idee: das Engelorchester
 auf dem Krippenstall

 

 

Ø Weitere Krippenbilder 

Ø Krippenfiguren, einzeln

 

       

Geschichten

zum ØAdvent

aus dem Leben Erikas

Kapitelübersicht
Bad Tölz: Geschmacksverirrung?  Kap.  1
Krippe in meiner Kindheit   Kap.  2
Das erste Jesuskind Kap.  3
Schlaganfall - Die Bedeutung der Krippe Kap.  4

Das erste gemeinsame Werk - Ziehbrunnen

Kap.  5

Neu

                                                                                                                                                       

1

Bad Tölz: Geschmacksverirrung?

Es ist Sommer 1992. Meine Frau und ich kuren in Bad Tölz. Es ist unsere zweite Kur. Die erste war in Bad Kissingen, wo wir 1988 – vier Jahre nach dem Schlaganfall - waren.

Natürlich haben wir in beiden Kuraufenthalten die Hilfe anderer nötig gehabt. Ohne die wäre es nicht gegangen. 

In der ersten Hälfte der Kur in Bad Tölz ist die Krankenschwester meiner Frau für die Pflege mitgefahren. Für die zweite Hälfte hat mein Sohn Urlaub genommen und kommt jedem Tag von seinem Wohnort für mehrere Stunden herüber, um mich zu entlasten und mir Kuranwendungen zu ermöglichen.

Heute Nachmittag ist Stadtbesichtigung anberaumt. Die Hauptstraße weist eine beachtliche Steigung auf. Für Rollstuhlfahrer, wie meine Frau, allein nicht zu leisten und sogar mit  meiner Schiebebegleitung schwierig, besonders, wenn es ein zentnerschwerer Elektrorollstuhl ist, den wir damals noch hatten. Ich puste ein wenig von der Anstrengung. Die Hälfte des Weges ist geschafft.

"Schau mal! Da ist ein klitzekleines Kaufhaus, und das hat sogar Ausverkauf. Lass uns hineinfahren!“ bittet meine Frau im Rollstuhl.

Froh über die Unterbrechung biege ich nach rechts und schiebe den Rollstuhl wunschgemäß durch die Tür des Geschäftes. Es ist wirklich ein Ausverkauf, aber viel scheint nicht zu holen zu sein. Wir kurven kreuz und quer, ziellos durch die Gänge.

„Guck mal da!“ sagt meine Frau plötzlich und weist mit dem Kopf die Richtung, da sie mit ihrer einigermaßen intakten rechten Hand die linke Hand vor dem Wegrutschen bewahrt. Ich steuere auf den vermeintlichen Verkaufsstand zu. Es werden viele bunte Kopftücher in allen Größen angeboten. Aber mir gefällt davon rein gar nichts. Das teile ich auch meiner Frau mit. Aber die lässt sich nicht beirren. Sie scheint genau zu wissen, welches Kopftuch sie kaufen will. Sie lässt sich von mir  vor ein paar sehr auffällige Verkaufsexemplare schieben.

Ich frage entsetzt: „Welches dieser Tücher willst du denn kaufen?“

„Das da!“ und jetzt lässt Erika doch ihren linken Arm los und weist mit der rechten Hand auf ein braun und schwarz gefärbtes Schultertuch mit bunt-schillernden Paletten.

Ich stelle mir vor, wie sie mit diesem Fetzen aussehen wird, und schaue sie ungläubig an. Wie kann ich sie bloß vom Kauf abbringen? Oder bin ich ein Despot. Aber vielleicht bin ich völlig unmodern? Ich bin ganz verwirrt.

Meine Frau schaut mich triumphierend an: „Keine Sorge. Ich will das Tuch nicht für mich.“ Das beruhigt mich gar nicht. Ich gerate fast außer mir. Sollte es ein Mitbringsel für unsere Tochter werden?

„Das soll für unsere Krippe sein, für eine Krippenfigur, für die Königin von Saba,“ sagt sie und ist belustigt über mein Erschrecken und meine sichtbare jetzige Erleichterung. „Du traust mir ja eine schlimme Geschmacksverirrung zu.“

Selbstverständlich haben wir das Tuch gekauft. Für die Königin von Saba.

 „Für die Königin von Saba?“ wird der Leser fragen. "Ist die nicht schon lange tot? Und - eine solche Figur gibt es auf den Krippen gar nicht!“ Der Leser hat recht, aber auf unserer Krippe sollte sie einen Platz bekommen. Zunächst noch existierte die Königin von Saba erst in unseren Köpfen. Aber die drei Könige sollten gemäß unserer emanzipierten Zeit ein Gegengewicht bekommen. Lange hatten wir gesucht. Schließlich waren wir auf die Königin von Saba gekommen.

2

Krippe in meiner Kindheit  

Das Weihnachtsfest in meiner Kindheit ist ohne Krippe nicht zu denken gewesen. Mein Vater erweiterte die Krippe, die in unserer Familie zu Weihnachten aufgebaut wurde, jedes Jahr durch weitere Figuren, die er selbst aus Ton formte. Auch ich hatte eine kleine Krippe wie andere Kinder. Zunächst war es eine aus Papierfiguren, dann bekam ich zu einem Weihnachtsfest eine aus kleinen Gipsfiguren. Ich ergänzte die Krippenfiguren durch eigene Arbeiten. Mein Vater war gewissermaßen mein Vorbild, und wir arbeiteten oft zusammen, er an seiner Krippenfigur und ich an meiner. Dennoch habe ich nur Erinnerungen an seine Krippenfiguren. Da war z.B. ein Hirte mit einem langen Mantel bis auf den Boden. Er stand ein wenig nach vorn gebeugt; die linke Hand auf dem Rücken, stützte er sich mit der anderen Hand auf seinen Stock, weit in die Ferne schauend. Sagt man nicht in Westfalen, dass die Schäfer in die Zukunft sehen können. Nannte man sie nicht Spökenkieker? 

Ein sehr nachhaltige Erinnerung war für mich ein Krippenbesuch, zu dem mein Vater mich einmal mitnahm. Ich war damals ca. sechs Jahr alt. Der Hausbesitzer, in dessen Haus wir damals in Münster, Westfalen, eine Wohnung gemietet hatten, hatte eingeladen. Stolz zeigte er uns, seinen Besuchern, seine Krippe. Ich erinnere mich, dass die Krippe fast ein ganzes Zimmer beanspruchte. Viele, viele Figuren, auch Tiergebilde, vorwiegend Kamele, oft in Gruppen zusammengestellt, standen auf der Krippe. Die Figuren waren zwar nur handspanngroß, alles war aber sehr wirkungsvoll inszeniert.

Nachdem im zweiten Weltkrieg die gesamte Krippe meiner Eltern - meine natürlich auch - zerstört worden war, wurde zu Weihnachten in meiner Herkunftsfamilie später nur noch eine Krippengruppe, die Hl. Familie, die meine Schwester meinen Eltern geschenkt hatte, aufgestellt.

3

Das erste Jesuskind

Eine Krippe gab es in unseren ersten Ehejahren - Erika und ich heirateten 1958 -  bei uns nicht. Der Tannebaum und das Ausschmücken reichten uns zur Weihnachtszeit. Einmal wurde der Baum mit Lametta, ein andermal mit Strohsternen oder mit  Gebäck geschmückt. Als die Kinder jedoch größer wurden, genügte uns ein Tannebaum als Mittelpunkt des Weihnachtsfestes nicht mehr. 

Zunächst war es ein Christkind, ca. 30 cm groß, dessen Kopf und Hände ich aus Pappmache gestaltete und das meine Frau, damals war sie ja noch gesund, mit Windeln unserer Kinder umwickelte. In der Advents- und Weihnachtszeit sangen wir mit den Kindern - oft mit ein paar Orffschen Instrumenten - vor diesem Christkind, das in einer selbst gebastelten Krippe lag. An den Abenden während der Advents- und Weihnachtszeit war diese Figur Mittelpunkt der Familie vor dem

 Zu-Bett-Gehen.  Es war eine kleine Feier und entwickelte sich zu einer Zeremonie.

Der Abschied nach dem Singen war immer sehr herzlich. Die Kinder nahmen jeweils das Christkind auf den Arm, herzten es und gaben es dann ungern an das Geschwister weiter. Bis das Kind dann in die Krippe zurückgelegt wurde, dauerte es geraume Zeit. Unsere Kinder konnten nicht zu Bett gehen, bevor das Christkind für die Nacht von ihnen warm zugedeckt worden war. Wir haben ein Foto aus jener Zeit, auf dem der zweite Sohn  seinen Poncho liebevoll über das Christkind breitet.

Nach einiger Zeit war die Christkindfigur zerfleddert. Der Wunsch, zu Weihnachten in der Familie eine Krippe mit verschiedenen Figuren zu haben, kam auf.

Nachdem das Papp-Jesuskind bei unseren Kindern - es war Mitte der 60er Jahre - ausgedient hatte, entstanden nach und nach folgende Figuren: die hl. Familie mit dem Jesuskind, drei Hirten und zwei Frauen, ein paar Schafe, die hl. Drei Könige und Abbilder unserer drei Kinder.

4

Schlaganfall - Die Bedeutung der Krippe

Im Jahr 1984 traf meine Frau unerwartet der Schlaganfall. Die ersten Jahre danach waren in der Familie von alltäglichen Sorgen für das Wohlergehen für ihre Mutter, von therapeutischen Maßnahmen und Übungsphasen geprägt. Große Zukunftspläne gab es nicht. Wir lebten damals für Heute und dachten vielleicht noch gerade an Morgen.

Als meine Frau April 1985 aus dem Krankenhaus kam, um in Ruhe sterben zu könne, setzten wir in der häuslichen Pflege alles dran, sie zu retten  - wir waren bemüht, Maßnahmen und Übungen anzusetzen, die zunächst das Überleben sicherten, z.B. Wadenwinkel Tag und Nacht, und danm ihre Hirnleistung und psychische Verfassung positiv beeinflussen könnten. wobei wir die Belastbarkeit meiner Frau zwar nicht austesteten, aber dennoch forderten

Besondere Probleme brachte das Gedächtnis. Durch den Schlaganfall waren riesige Ausfälle im Erinnerungsvermögen entstanden, sei es, dass die Speicherzellen oder die Zugänge zu den Speicherstellen zerstört wurden, zudem waren der allgemeine psychophysische Zustand oder/und das allgemeine Hirnleistungsvermögen noch ungenügend. Später zeigte sich immer deutlicher eine Schwäche des Kurzzeitgedächtnisses. 

Die nächste Zeit, es begann das Jahr 1985, war getragen von einer relativ hohen Motivation meiner Frau. Eine sehr positive geistige Entwicklung konnte eingeleitet werden. Im Rollstuhl sitzen zu können, verschaffte meiner Frau die Möglichkeit, z.B. in der Weihnachtszeit vor der Krippe, die ja vor ihrer Krankheit entstanden war, zu sitzen und vielen Erinnerungen an den Figuren und deren Entstehen nachzugehen, sie neu zu organisieren und viele Lücken aufzufüllen.

So saßen wir besonders in den ersten Jahren nach dem Schlaganfall während der Weihnachtszeit vor der Krippe. Später hatte meine Frau einen Schiebetisch, an dem sie saß und der einen hochklappbaren Teil zum Lesen und Angucken z.B. von Zeitschriften hatte. Wenn wir vor der Krippe saßen, gingen die Gespräche vor allem, aber nicht nur um Erinnerungen an die Entstehung der Krippe.

Wir erinnerten uns daran, dass wir damals unsere Figuren nicht zu klein planten. So wurden sie knapp 40 cm hoch, sie trugen Kleider. Woraus Köpfe, Hände und Füße gestaltet werden sollten, war eine wichtige Entscheidung. Aus welchem Material sollten wir sie formen? Aus Holz, Ton oder Makulatur? war unsere Überlegung. Wir entschieden uns für Makulatur, die, um daraus formen zu können, als eine sehr feste Masse angesetzt werden muss. Makulatur hat den Vorteil, dass man, solange sie noch weich ist, gut knetbar ist. Nach Trocknung wird die Makulatur hart, aber bleibt bearbeitbar mit Schnitzmesser und Schmirgelpapier.  Doch zuvor musste für jede Figur ein Drahtgerüst erstellt werden, um das die Makulaturmasse nach und nach gelegt wurde. Sie musste etwas antrocknen, damit sie sich nicht löste, aber durfte nicht ganz trocken, dann nämlich verband sie sich nicht miteinander. Aber es ist halb so schwer, wie es sich anhört. Ich will jeden ermutigen, der hier liest.

Die Kleider für die Figuren nähte damals meine Frau. Da in der damaligen Zeit unsere Finanzlage zu wünschen übrig ließ - die Lehrergehälter waren damals noch nicht so sehr angehoben, außerdem sparten wir für ein Eigenheim, versuchten wir alle unsere Bekannten dazu zu animieren, für uns Stoffreste, ausrangierte Schuhe  und Taschen - wegen des Leders - u.a. zu sammeln. 

„Weißt Du noch, woher wir einen großen Teil der Stoffe für die Könige und die Hirten haben?“ höre ich meine Frau hauchen. Zu der Zeit sprach meine Frau stimmlos und noch sehr undeutlich. Außerdem wurde sie in der ersten Zeit bis 1987 mit einer Magensonde ernährt, die durch die Nase in den Magen geschoben worden war, in der Regel von mir.

„Sicher! Von Rickerts. Das waren ausrangierte Stoffproben. Ich glaube für den Kauf von Sesseln oder Stoffstühle,“ antwortete ich.

So erinnerte sie daran, dass die hellen Filzstiefel der Mädchenfigur –  unserem jüngsten Kind zugedacht, aber damals mittlerweile über zwanzig Jahre - aus meinem ausrangierten hellen Sommerhut entstanden waren.

Der Krippenstall war in der Entstehungszeit der Krippe aus einem aufgeklappten Blumenkorb aus Weiden gearbeitet, in dem lange, große Blumen, Papageienblumen oder  Kokardenblumen, von den Kanarischen Inseln nach Deutschland geflogen worden waren. Dieser Korb war ein Geschenk eines Geschäftes. Und ich weiß noch genau, wie glücklich meine Frau damals mit diesem Weidenkorb ankam.

Wiederholt sprachen wir nach dem Schlaganfall über diesen Korb, der natürlich im Laufe der Zeit eine Reihe von Veränderungen erfahren hatte. Immer mehr Fakten brachten wir beide zusammen. Es führte auch dazu, dass ich wiederholt die Urlaubsfotos von Gran Canaria, wo wir Jahre vor dem Schlaganfall gewesen waren, meiner Frau zeigte. Als meine Frau zum ersten Mal die Fotos sah, konnte sie sich an nichts erinnern. Das änderte sich von Mal zu Mal. Es geschah sogar immer öfter, dass sie sich an Begebenheiten erinnerte, die in unseren Gesprächen noch nie erwähnt worden waren.

Verschiedene Krippenfiguren hatten Ähnlichkeit mit Verwandten oder mit anderen uns bekannten Personen. Das führte zu vielen Gesprächen. Ein alter Hirt hatte einen grünen Schlapphut, den meine Frau aus Stoffresten nähte, die eine frühere Kollegin gespendet hatte. Dieser Hirte war meinem Vater fast aus dem Gesicht geschnitten.

Meine Frau lebte damals viel in der Vergangenheit. Es war gewissermaßen eine Suche nach Stücken eines verlorengegangenen Lebens, durch Schlaganfall verloren gegangene Erinnerungen an frühere bedeutsame Erlebnisse ihrer Biographie.

Die Aufarbeitung vergangener Tage und Jahre vor dem Schlaganfall begleitete meine Frau, genau genommen uns beide während der nächsten Lebensjahre - nicht nur zur Weihnachtszeit. Meine Frau hatte damit gewissermaßen eine Form therapeutischer Verarbeitung und Aufarbeitung der Schlaganfallfolgen gefunden.

Die Erinnerungen an ihr Leben vor der Krankheit und ihre Vernetzung wurden zu einem festen Lebensbestandteil, also die Aufarbeitung bzw. gedankliche Wiederherstellung der prämorbiden (vor der Krankheit) Zeit wurde gewissermaßen eine Basis für ihr neues eingeschränktes Leben. Neben der Wiedergewinnung von früheren Gedanken-Inhalten wurde zugleich vor der Krippe die stete und schnelle Verfügbarkeit geübt.

Oft hatte ich die Sorge, dass meine Frau in der Gedankewelt der vergangener Tage verbleiben würde, eben auf der Suche nach all den verloren gegangenen Lebensstücken, die sie als Lücken, als Brüche oder als relativ unverbunden auftauchende Gedankenfetzen erlebte.

Jedoch meine Überzeugung, dass der Mensch in der Regel sich selbst organisiert, wenn man ihm die Chance gibt, aber auch eine gewisse Scheu, intervenierend bzw. therapeutisch an meiner eigenen Frau zu handeln, hielten mich zurück, die Form des Überlebens, die meine Frau gewählt hatte, einzuschränken.

 Psychotherapeutisch gesehen, wurden so Selbstheilungskräfte aktiviert, die zusehends den Lebenswillen meiner Frau stärkten.

Mit dem Jahr 1988 begann die kreative Zeit der Krippenarbeit und deren Vorbereitung. Im Spätsommer 1987 hatte mein Sohn in Frankreich eine Französin geheiratet. Die Zeit bis zur Hochzeit war für meine Frau eine Herausforderung, denn Sie wollte von mir mit dem Auto zur Hochzeitsfeier gefahren werden. Doch keiner wusste, ob sie das schaffen konnte. Sie schaffte es und fuhr sogar ohne Magensonde, über die sie bis dahin ernährt worden war. Sie wollte auf der Hochzeit nicht mit einer Magensonde in der Nase im Rollstuhl  herumgeschoben werden.

Nach dieser Zeit fing der mühsame Weg des Kauens von Nahrung an. Zugleich musste eine Phase tiefer Depression aufgefangen werden. Die Vorbereitung der Krippenarbeit und die Arbeit selbst zeigten sich im Nachhinein als eine wichtige Hilfe auf Jahre hin, dem Leben wieder Freude abzugewinnen.

Der in einem gewissen Sinne gemütliche und besinnliche Krippengang wurde mit dem Frühstücken verbunden. Doch aß meine Frau dabei nichts, da sie in dieser Zeit über eine Magensonde, gelegt durch die Nase, ernährt wurde.

Dieses Beisammensein hatte geradezu kontemplativen Charakter und brachte uns viele Erinnerungen, über die Entstehung der Krippefiguren, über die früheren Weihnachtsfeste, was angesichts des Festtages naheliegend war, aber auch über die vielen Begebenheiten aus den Jahren, als die Kinder noch jünger waren, woran sich meine Frau bruchstückhaft ziemlich genau erinnerte. Auch aus ihrer eigenen Kind- und Jugendzeit kamen  zahlreiche Erinnerungen hoch.

       Die Krippe wurde in diesen Jahren für meine Frau Ausgangspunkt für eine sinnvolle Lebensaufgabe und später auch eine hilfreiche therapeutische Betätigung nach ihrem Schlaganfall. Krippenbau und -figurengestalten waren - wie schon berichtet - nach der Geburt unserer Kinder ein adventliche Vorbereitung auf Weihnachten, und meine Frau.

Nachdem meine Frau den Schlaganfall überlebt hatte und ihre Rehabilitation gut vorangekommen war, zeigten sich bei ihr Trauer und Teilnahmslosigkeit und sie wurde zusehendst depressiver. Medizinische Maßnahmen wurden erwogen. Oder gab es einen anderen Weg, einen gewissen Sinn in das Leben meiner Frau zu bringen und ihre bisherige positive Entwicklung weiter voranzutreiben?

Das Interesse meiner Frau für die Krippe schien uns einen Weg für ein neues Lebensgefühl zu zeigen.

Jetzt hatten wir die Krippe, unsere Krippe, neu entdeckt.

Vorhanden waren bereits Maria, Josef und das Kind in der Krippe, drei Hirten und zwei Hirtenfrauen, drei Kinder, die Heiligen Drei Könige und ein Verkündigungsengel. Aber es gab da noch viele Ausbaumöglichkeiten. Hinsichtlich der Figuren und des Aufbaus der gesamten Krippe.

Auch schon in der Klinik auf der Intensivstation hatte ich die Figuren Maria, Josef und das Jesus-Kind zu Weihnachten auf die Fensterbank aufgestellt, ohne das Krankenhauspersonal zu fragen. Meine Frau konnte die Krippenfiguren von ihrem Bett aus sehen. Es war ein bisschen wie Zuhause.

 

5

Das erste gemeinsame Werk - Ziehbrunnen

Das erste gemeinsame Werk für die Weihnachtskrippe, das Erika und ich planten und dann erstellten, war ein Ziehbrunnen. Zuerst suchten wir nach Bildern von allen möglichen Brunnen. Wir entschieden uns für einen Ziehbrunnen.

So entstand nebenstehender Brunnen. Auf einem Brett wurden er hochgezogen, aus Ziegeln, die wir aus Makulatur formten und nach dem Trocknen rot anstrichen, dann aufeinander mauerten und mit Makulatur als "Speis" verbanden. Die Stützbalken waren 

Äste aus dem Garten, die Bedachung aus Pappschindeln, die Erika mit einem Pinsel, den ich immer wieder in schwarze Farbe tauchte, anstrich. Die Kurbel, um Wasser schöpfen zu können, wurde aus einem Draht, der von Balken zu Balken ging, gefertigt. Ein Aststück diente als Welle, über die sich die feine Kette mit dem Eimer, der Silberpapierabdeckung hatte, damit es wie Wasser aussah, aufwickeln konnte. Die Kette erstand ich in der Bauabteilung eines Kaufhauses.

Besonders Erika war sehr stolz und freute sich riesig, dass sie trotz ihrer Lähmungen der Arme, den Anstrich zustande brachte. Zuletzt schmückten wir den Brunnen mit Blumen. Besonders gefiel uns der Rosenstrauch, den ich aus vielen einzelnen kleinen Seidenröschen zusammen drehte, bis er aussah, wie ein echter Rosenstrauch, der sich an dem Gebälk des Brunnens emporrankt.

6

Der Hirtenhund - Überraschung

7

Ein Kamel

8

Ein Dromedar

 

 

Wir fortgesetzt!

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