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Etappen
eines Lebens
Aus
dem Leben von Erika Kerkhoff geb. Löchte
Zusammengestellt von Winfried
Kerkhoff
Mittelschule
Im
März 1948 machte Erika mit ihrer Schwester die Aufnahmeprüfung für die
Mädchen-Mittelschule Burgsteinfurt, früher Städtische Höhere Mädchenschule,
später ab 1975 Städtische Realschule Steinfurt. Fünf Jahre hatte Erika die
Volksschule besucht. Das hatte wohl darin seinen Grund, dass bis zu diesem
Zeitpunkt der Nachkriegszeit der Unterricht in der Mittelschule noch allzu viele
Unterrichtsausfälle wegen fehlender Lehrer hatte. Außerdem konnten, weil im
darauffolgendem Jahr die Schwester auch zur Mittelschule ging, die beiden
Geschwister den Schulweg gemeinsam machen, anderenfalls hätte jede einen
anderen Weg allein durch die Stadt gehen müssen, die eine zur Mittelschule, die
andere zur Volksschule.
Die
Mittelschule hatte einen guten Ruf. Darüber liefen sehr viele Schulkarrieren
von Mädchen, die vorhatten, später ein Abitur zu machen. Hierzu boten die
Lehrer Förderkurse in der letzten Klasse an, damit der Übergang auch
problemlos vonstatten ging. Auch Erika und ihre Schwester nahmen später daran
teil, auch wenn die schlechte Finanzlage der Familie den Übergang dann
vereitelte, da die jungen Mädchen durch eine Lehre den Haushaltsetat entlasten
mussten. Eine Erstattung des Schulgeldes aufgrund der guten Zeugnisse erlaubten
der Familie überhaupt, ihre Kinder auf die Realschule schicken zu können.
Fast
alle der Lehrer der Realschule (Mittelschule) hatten einen Spitznamen. Es gab
dort einen Pinguin, so hieß die Deutschlehrerin, einen Papa, weil er zu den
jungen Mädchen wie ein väterlicher Lehrer war. Holtheuer war sein Name, er war
Klassenlehrer in den letzten Jahren der Schule und gab Mathematik. Ich weiß von
Erika, dass es ein großes Fest war, als sein erstes Kind geboren wurde. Die
ganze Klasse gratulierte.
Das
Kochbuch, das Erika damals wie jede andere Schülerin bei der
Hauswirtschaftslehrerin erstellte, existiert bei uns immer noch. Oft hat Erika
mir in der Zeit ihrer Krankheit, wo ich ja auch Hausmann spielte, gesagt: „Schau
mal in mein Kochbuch von der Schule, vielleicht steht da was drin.“ Und
vielfach wurden wir fündig.
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An
eine Geschichte, die eine Lehrerin Priggen von ihrer eigenen Schulzeit
erzählte, erinnerte Erika sich gut. Diese Lehrerin konnte Geige spielen und
lief nach Erikas Erzählung wippend wie eine Bachstelze. In dem
Religionsunterricht der Klasse, wo das junge Mädchen Priggen damals war, wurde
über Tod und Leben gesprochen. Als der Religionslehrer darauf hinwies, dass
jeder Mensch sterben müsse, auch sie, die am Unterricht teilnahmen, sprang
dieses Mädchen spontan auf und rief in die Klasse: „Aber ich – ich brauch
nie zu sterben!“
Der
Sport war vom Fachlichen her gesehen nicht gerade leistungsorientiert, wie ich
von Erika erfahren konnte. Wenn auch die beiden Löchtes in der Schule und bei
den Schulfreundinnen als schnelle Geher bekannt waren, da sie, wenn sie
irgendwohin gingen, immer so ein gewaltiges Tempo draufhatten, dass man kaum
mitkam, so waren sie doch nicht so sehr interessiert an eigener sportlicher
Tätigkeit, sehr zum Leidwesen des Vaters, der in seiner Jugendzeit genau wie
mein Vater ein Bewegungsfan war und deswegen im Sportverein aktiv war.
Die
beiden Mädchen sah man immer zusammen. Wo die eine war, war die andere nicht
fern. Da sie außerdem fast gleich groß waren und sehr ähnlich wie Zwillinge,
gab es in der Schule bei den Lehrern manche Verwechselung, ja
Verwechslungskommödien. Ich weiß, dass die Klasse eine Lehrerin in arge Not
gebracht hat, als jede Schülerin sich einmal auf einen anderen Platz als ihren
Stammplatz gesetzt hatte. Da die Lehrerin noch nicht lange an der Schule tätig
war, zeigte sie bei den Namen große Schwierigkeiten, besonders natürlich bei
der Unterscheidung der beiden Schwestern. Aber auch bei der Lehrerin, die über
lange Zeit schon
Französisch- und Englischunterricht erteilte, gab es
Unterscheidungsprobleme, was unter den Schülerinnen nicht unbekannt blieb.
Eines Tages kam diese Lehrerin siegessicher in die Klasse und sagte: „So jetzt
habe ich es heraus, wer Erika und wer Elfriede ist.“ Und sie zeigte auf eine
der Schwestern und sagte stolz: „Du bist Erika!“ Natürlich hatte sie
Unrecht, es war Elfriede. Lachen bei den Schwestern, Lachen in der Klasse.
Die Lehrerin hat es bis zu Schulentlassung der Kinder nicht zu einem
Fortschritt gebracht. Aber zu ihrer Entschuldigung muss gesagt werden, dass auch
außerhalb der Schule immer wieder Leute die beiden Nicht-Zwillinge
verwechselten.
Der
Schulhof der Mittelschule hatte eine Reihe Bäume, unter denen die Mädchen
während den Pausen in Gruppen wandelten. Natürlich futterte man auch das
Butterbrot oder einen Apfel, ohne groß darauf zu achten, was man aß. So war es
an diesem Tag auch wieder. Aber plötzlich blieben in der einen Gruppe die
Mädchen stehen und starrten voller Entsetzen auf das Brot ihrer essenden
Mitschülerin. Dann setzte ein Schreien mit „Hiii“ ein, anderen prusteten
vor Lachen.
Die Mitschülerin weiß zunächst nicht was los ist, schaut dann auf ihr
Brot und sieht dort die Hälfte einer riesengroßen Raupe. Ausspucken hilft
nicht mehr. Die andere Hälfte hat sie bereits heruntergeschluckt. Erika hat mir
nicht erzählt, ob die Leidtragende vor Ekel und Abwehr das Brot
fortgeschleudert hat oder würgte. Sicherlich hat sie die andere Hälfte des
armen Tieres nicht auch verzehrt, damit nun beide Teile zusammen waren.
Inhaltsangabe
weiter
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