Hauptstraße. Eine wunderbare Lindenallee.
Das helle frische Grün leuchtet. Später haben diese Baumriesen leider
dem Ausbau der Straße weichen müssen
"Da!"
ruft Erika und zeigt auf den Boden. "Ein Maikäfer!"
"Quatsch!" antwortete ihre jüngere Schwester. "Es ist doch erst
Anfang Mai! Und wenn, was willst Du damit! Wir müssen zur Kirche!"
Nun waren damals Maikäfer noch nicht Mangelware wie heute in manchen
Jahren, aber dennoch waren sie ein wertvoller Besitz, wenn man einen fand.
Es gab da Rotkäppchen, die eine rote Brust hatten, Müller wie mit Mehl
gepudert und und. "Den nehme ich mit!" "Und wie und
worin?" fragt Erikas Schwester. Da gab es keine Diskussion. Erika
wusste es schon. Im Kleid war doch eine Tasche. Und nachher, wenn sie zu
Hause waren, würde sie einen Kasten suchen und frisches Maigrün darein
tun, damit der braune Geselle was zu fressen hatte. Sie holte das
Taschentuch aus der Tasche, steckte den Käfer, der noch steif von der
morgendlichen Frische war - deshalb war er auch wohl vom Baum gefallen -,
hinein in die Tasche, breitete das Taschentuch darüber, schob es in alle
Lücken, damit es dicht abschloss, und weiter ging es zur Kirche. Es wurde
Zeit. Zu spät zum Gottesdienst zu kommen war immer peinlich.
Der
Gottesdienst verlief wie gewohnt - zunächst. dann hörte Erika Unruhe
hinter sich. Sie drehte sich und entdeckte, dass hinter ihr Nonnen saßen,
die tuschelten und verstohlen lachten. Na so was! Eigentlich sollten doch
Nonnen in der Messen beten! Sie schaute sich noch mal um, ob sie sich
nicht getäuscht hatte. Nein, nein! Sie gaben jetzt ihr sogar Zeichen. Was
die wohl wollten? Da! Etwas krabbelte im Nacken? Unter den langen Haaren?
Sie griff danach und fühlte ein kleines Tier! Huh! Ach, der Maikäfer
etwa? Sicher, der war in der Tasche aufgewärmt worden , aufgewacht und war
aus seinem unsicheren Gefängnis - Tasche mit Taschentuch -
entwichen und über das Kleid bis zum Kopf geklettert. Er brauchte ja eine
hohe Stelle zum Abheben. Daher also das leise Gekicher der Schwestern
hinter ihr!
Aber
der Maikäfer war so ohne weiteres gar nicht aus den Haaren zu lösen. Die
kleinen Beinchen mit den Häkchen, mit denen der Käfer sich an dem
Blattwerk fest hält, wirkten hier wie schlimme Widerhaken. Die Nonnen
mussten helfen. Ein Gottesdienst mit lustiger Einlage, der Herrgott wird
geschmunzelt haben. Lächelnd gab eine Nonne Erika den Übeltäter
zurück. Für den Rest des Gottesdienst musste er sicherer verstaut
werden. Erika rollte den Käfer in das Taschentuch, klappte die Enden um
und schob alles in die Kleidertasche. Na, das hätte ich sogleich mal so
machen sollen, dachte sie, dann wäre der ganze Zirkus vermieden worden.
Aber ich hätte kein nettes Andenken an Erika gehabt.
Inhaltsangabe
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