Etappen
eines Lebens
Aus
dem Leben von Erika
Kerkhoff geb. Löchte
Zusammengestellt von
Winfried Kerkhoff
"Schicksalsjahr"
1952
Mein
Vater war ein Gartenfan, auch noch mit 85 Jahren, aus Spaß an der Sache und aus
Gründen des Nutzeffektes, den selbst angebautes Gemüse, Obst und Kartoffeln bringen
konnten. Herbst1950 hatte mein Vater - er war 68 Jahre - ein Wiesenstück übernommen, um es zu
bewirtschaften für den Privatgebrauch. Das war nicht das erste Mal. Mein Vater und ich kultivierten es nach
seiner Anleitung ganz fachmännisch und schon das nächste Jahr konnten wir
ernten.
Da
mein Vater trotz seines Ruhestandes ein sehr aktiver Mann war, hatte er
die Leitung der Pfarrbibliothek übernommen. Unter anderem war seine Aufgabe die
Werbung von Mitgliedern, die regelmäßig kamen, um Bücher auszuleihen. Diese
Mitglieder konnten, als zu dem Borromäusverein gehörig, so nannte sich dieser
Verbund von Pfarrbüchereien, jedes Jahr ein verbilligtes Buch beziehen. Bei
diesen Werbungsbemühungen hatte mein Vater auch in der Weihnachtsaktion 1951
die Familie Löchte aufgesucht und kennen gelernt.
Der Zufall wollte nun, dass unser Gartenstück direkt hinter der
Wirtschaft lag, in der Löchtes ihre Wohnung - in der Wirtschaft Arning, wie
schon erzählt - hatten.
Wenn
mein Vater auch streng war, er hatte immer ein gutes Herz, vor allem konnte er
gut abgeben. Davon konnten die Verwandten ein Lied singen, denn er hatte vielen
trotz seiner geringen Beamtenbezüge – er war wirklich nur ein kleiner Beamter
auf der untersten Karriereleiter – in Notlagen finanziell und mit Rat
geholfen. Gerade – es war Frühsommer 1952 - waren die ersten Erdbeeren in
unserem neuen Garten reif. Vater war auf seine Erdbeeren immer sehr stolz und
mit Recht. So schickte er mich mit einem großen Rhabarberblatt voll von süßen,
roten Erdbeeren zu den Löchtes mit einem schönen Gruß, vielleicht, weil sie
keinen Garten hatten oder aus Stolz über seine Erdbeeren. Wer weiß. Ich kam
mir ziemlich albern vor, mit meinen 18 Jahren mir wildfremde Leute aufzusuchen
und ihnen auf einem Rhabarberblatt Erdbeeren zu bringen. Aber ich wusste es
nicht abzuwehren. So marschierte ich mit den süßen Früchten los. Oben in der
Wohnung fand ich dann nicht nur Herrn und Frau Löchte vor, sondern auch zwei Mädchen,
die aber auf mich keinen sonderlichen Eindruck machten. Ich hielt sie für sehr
jung, sie waren auch von der Körpergröße her wirklich klein. Ich war ja
immerhin achtzehn! dachte ich damals. Aber
– so fing alles an. Und hätte mein Vater geahnt, dass sich daraus all das
entwickeln würde, was dann auf ihn zukam, er hätte mich nie nach Löchtes
geschickt. Er hat es auch nie erfahren, dass er der Verursacher unserer so frühen
Liebesbeziehung war, die er absolut, genau wie meine Mutter, nicht gut fand. Er
hätte sich nie verziehen, dass er daran wesentlich beteiligt war, dass ich
Erika in so frühen Jahren kennen und lieben lernte.
Nach
Jahren, wir waren schon verheiratet, erzählte mir Erika eine nette kleine
Geschichte, was ihr mit meinem Vater vor der Zeit, als ich sie kennen lernte,
beim Buchausleihen passiert war. Mein Vater hatte gesehen, dass Erika sich das
Buch „Nesthäkchen wird 17“ ausgesucht hatte und die Ausleihe des Buches
eintragen lassen wollte. Mein Vater schaute sie an und fragte: „Wie alt bist
du denn?“ Erika antwortete wahrheitsgemäß: „16“. „Dann
ist das noch kein Buch für dich,“ stellte mein Vater fest. Für meinen
Vater waren solche Dinge immer klar, er war halt sehr gewissenhaft. Erika war fürchterlich
sauer und enttäuscht. Andere, die jünger waren als sie, aber älter aussahen
und größer waren, hatten es ausgeliehen bekommen. Erika war eben klein, war
auch später nie größer als 1,54 m, und sah, auch später, jünger aus, als
sie war. Das war ihr damals doppelt zum Verhängnis geworden.
Inhaltsangabe
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