Etappen eines Lebens
Aus dem Leben von Erika Kerkhoff geb. Löchte
Zusammengestellt von Winfried Kerkhoff

 

Der erste Kuss

 

 

 

Erikas Mutter machte sich Sorgen, denn ihre Tochter hatte in letzter Zeit öfter blaue Lippen. Ob sie wohl doch herzkrank war? Ja, und ob und wie!

Erika und ich gingen schon eine Zeit - ein knappes Jahr - zusammen. Immer noch brachte ich sie abends nach dem Singkreis nach Hause. Dann standen wir oft noch eine Zeitlang unten vor der Haustür im Hinterhof und quatschten. Erikas Eltern war das nicht recht, aber sie wussten wohl auch nicht so recht, wie sie das unterbinden konnten, denn nach oben in die Wohnung wollten wir nicht kommen. Unten konnten wir dicht beieinander stehen oder uns die Hände halten, ohne dass wir im Blickfeld anderer standen. Mehr geschah nicht zwischen uns, dennoch war es wunderbar! Wir waren halt ein bisschen schüchtern dem anderen gegenüber. Natürlich auch unerfahren, denn es war unsere erste große Liebe, die sie für uns ja auch blieb.

Eines Abends - ich kann mich noch genau daran erinnern -, es war ein milder Abend mit sternenklarem Himmel, standen wir wieder unten im Hinterhof und tauschten unsere Gedanken aus. Es entstand eine Pause. Da durchzuckte mich ein Gedanke, jetzt oder nie: "Schau mal," sagte ich, "da oben ein Stern!" Erika hob ihr Gesicht nach oben, schaute gerade an meinem Gesicht vorbei. Ihr Mund - ein Angebot, dem ich nicht wiederstehen konnte. Ich drückte meine Lippen auf ihren Mund. Sie war völlig überrascht, starr wie eine Salzsäule musste ihr Körper sein, das fühlte ich über die Lippen,  sonst berührte ich sie weder mit meinem Körper noch mit den Händen . Ich selbst war erschrocken über meinen Wagemut und dachte schon an Rückzug, ehe ich eine ins Gesicht von ihr bekäme. Aber dann schlang sie beide Arme um meinen Hals und ich drückte sie an mich. Unser Kuss geriet aber sehr unprofessionell. Wir drückten die Münder aufeinander, waren irgendwie glücklich, zugleich enttäuscht, dass der Kuss nicht mehr an Erleben bot. Dennoch taten wir es an diesem Abend immer wieder. Und dann ein plötzliches Ende - Erika löste sich und verschwand im Hausflur. Ich war überrascht und ging ein wenig "verdattert" (plattdeutsch = überrascht und geknickt zugleich) nach Hause.

Am nächsten Abend holte ich Erika vom Zug ab. Sie fuhr tagtäglich mit dem Zug zur Arbeitsstelle, dem Büro. Ich war irgendwie unruhig und wollte wissen, ob ich am Abend vorher etwas verkehrt gemacht hatte. Erika war irgendwie verändert, als sie den Bahnhof verließ und auf mich zuging. Mein Gott! Sie hatte den Lippenstift doch wohl zu dick aufgetragen, war meine Meinung, die ich aber für mich behielt. Erika hatte aber meinen prüfenden Blick schon festgestellt. "Ja," sagte sie lachend, "ich hatte heute morgen solche blauen, blutunterlaufende Lippen, dass ich das Rot sehr dick auftragen musste, dennoch hat mich meine Mutter gefragt, ob ich Herzschmerzen hätte, ich hätte so blaue Lippen. Vielleicht sollte ich früher schlafen gehen und nicht so lange mit dir unten im Hinterhof stehen." Das mit den blauen Lippen passierte uns nicht mehr so oft, wir küssten mit mehr Gefühl und Zartheit. Nicht lange dauerte es, da probierten wir den Zungenkuss, ab da ging es langsam besser. 

Schließlich brachten wir es doch zu einer angenehmen und lustvollen Kusskultur ohne körperliche Schäden. Den 21.März vergaßen wir später in keinem Jahr, auch wenn es euch Leser zu romantisch klingt, er blieb neben Verlobungs- und Hochzeitstag ein wichtiger Erinnerungstag.

                                                                                                                                

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Gedichte an Erika  Vorwort  Abschied   Abschied für immer  Abschied von den Träumen  Abschied   Viele zehntausend Mal  Adieu - Gott befohlen    Dass du mich liebst  Die letzte Rose  Die Schaukel  Dieser Tag endet nicht im Westen  Du gingst  Ein Lächeln  Frohe Weihnacht  Frühling  Hoffnung  Hoffnunglos ist meine Liebe  Jede Nacht  Leb wohl du  Liebes-Spuren  Momentaufnahme  Nie mehr  Noch immer  Protokoll des Sterbens   Schatten der Erinnerung  Schon als Junge  Schwer oder leicht  Seltsame Begegnung  Tränen am Meer  Tränen in Novembertagen  Träumen  Traumerinnerungen  Urlaubsimpressionen 1998  Valentinstag  Verloren  Was bleibt  Welke Rosenblätter  Wer weiß  Wo der Himmel ist   Zum Greifen nah