Vorweg
sei noch einmal daran erinnert, dass Erika Industriekauffrau lernte, drei Kinder
groß zog, über den zweiten Bildungsweg während ihrer Ehe zur Diplom-Sozialdiplompädagogin
studierte, danach wieder berufstätig war, zuletzt, weil sie keine Stelle fand, als Schulsekretärin, und die
letzten fast 16 Jahre infolge eines Schlaganfalles vollkommen gelähmt war, so
dass sie in der Regel nur zweimal zwei Stunden im Rollstuhl sitzen konnte. Die
übrige Zeit lag sie.
Die
hier vorgelegten Sprüche entstammen fast ausschließlich der Zeit ihrer körperlichen
Beeinträchtigung. Schon zu Zeiten, als sie noch gesund war, ließ sie sich
nicht abservieren. So blieb sie auch in dem Zustand der Krankheit und
Behinderung nichts schuldig und wusste, sich sprachlich zu wehren und
durchzusetzen. Einfach und
bildlich ausgedrückt, sie hatte für jeden Kochtopf einen Deckel. Spezifischer
interpretiert: Konnte sie auch vieles infolge ihrer Behinderung nicht mehr
leisten, so zeigte sie durch ihre Schlagfertigkeit jedoch, dass sie schnell zu
reagieren wusste, ihre starke Abhängigkeit nur im körperlichen Bereich bestand
und sie ihre geistige Unabhängigkeit verteidigte. Das sollte man bei den
nachfolgenden Aussprüchen im Hinterkopf behalten.
Während
ihrer Krankheit schwitzte Erika häufig. Wenn dann jemand feststellte: "Oh, du
schwitzt ja schon wieder." Antwortete Erika verschmitzt: "Eine Dame schwitzt
nicht, sie transpiriert!"
Erika hatte während ihrer fast 16-jährigen jährigen
Krankheit bis auf die erste Zeit immer ein kleines Glöckchen, damit sie sich
bemerkbar machen konnte. Sie legte es nie aus der Hand. Wenn ihr jemand die Glocke beim Waschen oder bei der
Krankengymnastik abnehmen wollte, wehrte sie ab mit den Worten: „Nein, die gebe
ich nicht ab. Das ist meine Lebensversicherung!“
Erikas Glöckchen funktioniert nicht mehr. Der Klöppel im
Innern ist abhanden gekommen. Ich muss Abhilfe schaffen und die Glocke wieder
zum Klingeln bringen. Aber wie? Ich gehe in den Werkzeugkeller und suche
irgendetwas, das weiterhilft. Ich sehe eine Schraube. Mit Draht kann man einen
neuen Klöppel machen. Gedreht, geschraubt. Die Glocke funktioniert heller als
vorher.
Ich gehe hinauf zu Erika, zeige die funktionierende Glocke
und sage: „Ist das nicht kreativ, aus fast Nichts etwas machen?“
„Dann bin ich schon dreimal in meinem Leben kreativ
gewesen!“ antwortet Erika lachend. So kann man Schwangerschaften auch sehen.
Erika
benötigte ein sauberes Taschentuch. „Ich hole dir mal ein neues Taschentuch,“
sagte ich ihr.
„Ein neues muss es nicht unbedingt sein, ein frisches täte
es auch,“ und schaute mich verschmitzt grinsend an. Antwortete ich dann: „Du
hast recht wie immer.“, gab sie entwaffnend zurück, „schöne Frauen haben eben
immer recht.“
Es gibt sicherlich viele Witze zu dem Ausspruch „Mein
Gott“. Erika setzte diese witzhaften Episoden direkt in dem Alltag um. Kam einer
zu ihr und sagte irgendwie: „Mein Gott! So was! Das kannst du kaum glauben!“,
antwortete sie lakonisch: „Du kannst ruhig Erika zu mir sagen.“
Erika war nach dem Schlaganfall sehr schmerzempfindlich, jeder Druck auf den
Körper und jede Bewegung taten ihr sehr weh, dass sie oft schon bei Berührung
aufstöhnte. Beim Wenden oder bei der Lagerung ihres Körpers traten somit
unvermeidlich Schmerzen auf. Die Krankenschwestern bekamen bei solchen
Pflegehandlungen dann verbal oft etwas ab. Erika konnte dann unter diesen
Schmerzen bestimmte entschuldigende Antworten nur schwer wegstecken.
Wenn der Schwester nur: "Das
wollte ich nicht!" rausrutschte, war ihre Entgegnung, mit einem etwas süßsaurem Lächeln auf
dem Gesicht: "Das wär ja auch der Gipfel der Unverschämtheit, wenn Sie das
gewollt hätten!"
Die Pfleger/innen, die bei uns waren, hatten immer großes Verständnis für den
schmerzensreichen Zustand und schwiegen verständnisvoll.
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