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Bildungs-, Pilger- und Erholungsfahrt mit Rollstuhl und Wohnmobil durch Europa von Erika und Winfried Kerkhoff ----------------------------------------------------------------- 1996
Ravenna und Rom
Nach
Rom 1962
km sind wir, meine Frau Erika und ich, bis dorthin gefahren, seit wir mit dem Wohnmobil abreisten. Mit Zwischenstationen in
Ravenna und Castilgione del Lago. In
Ravenna campten wir seit dem 6.August. Am 4. August in Albersloh aufgebrochen
und mit einer Übernachtung in Deutschland und in der Schweiz an einer
Tankstelle - 15 Std. durfte man dort halten - erreichten wir Camping Classe
(Lido sud von Ravenna, Ortsteil Lido di Dante) in Italien einen Tag früher als
vorgesehen. Zum Glück hatte dieser Camping-Platz abends lang geöffnet, wir
kamen nämlich erst nach 20 Uhr an. Eigentlich
war damit unser ursprüngliches Ferienziel erreicht, wenn, wenn nicht in den
letzten Monaten vor der Reise mir der Gedanke gekommen wäre, dass die Fahrt
nach Italien noch einen Kick haben müsste, um ein markanteres Reiseziel für
meine Frau zu haben. Rom! Ja, Rom! Das wäre das Nonplusultra! Mit meiner Frau
St. Peter sehen, vielleicht auch die capella sistina? Zweifel
tauchten auf, ob das nicht zu weit wäre, ob wir in der Nähe von der
Peterskirche einen Parkplatz finden würden, damit der Weg und die
Betrachtungszeit auch mit dem Rollstuhl - meine Frau kann ja nur knapp 2 Std. an
einem Stück darin sitzen - zu bewältigen waren. Eins war sicher: Wenn wir es
schaffen wollten, musste alles genauestens geplant werden. Eine
Liegestätte ? Eine Voraussetzung für die Fahrt mit dem Wohnmobil war gerade im Juni geschaffen worden. Hinten im Wohnmobil wurde für die Fahrt nach Rücksprache mit der Herstellungsfirma Hymer und deren TÜV ein Bett eingerichtet. Dankenswerterweise übernahm diese Herstellerfirma alle wichtigen Genehmigungsschritte und überlegte die technischen Voraussetzungen im dortigen Ingenieurenbüro, setzte sich sogar mit der Firma, die letztlich die Einbauarbeiten übernahm, wie man so schön sagt, ins Benehmen. Der für uns zuständige TÜV Warendorf hat diese Liegestätte nach intensiven Vorgesprächen mit uns, in denen die erforderlichen TÜV-Vorbedingungen genannt worden waren, dann nochmals geprüft, genehmigt und das Straßenverkehrsamt in die Autopapiere eingetragen.
Eine
gute Idee, aber wie realisieren ? Zurück
zu den Versuchen, die Romfahrt zu realisieren. Verschiedene Kontakte und Überlegungen
wurden gestartet, um das Park- und Übernachtungsproblem in Rom zu lösen. Unser
Freund Pastor Löker verwendete sich wie im vorigen Jahr, als wir nach Lourdes
gefahren waren, für uns bei der Familie Dombrowski, die ein Reiseunternehmen
(Christopherus) in Münster führt. Die setzten wieder alle Hebel in Bewegung
und beschafften über Frau Pollio in Rom (Zweigstelle) einen Parkplatz für
nachts in der Nähe des Vatikans. Den Innenhof des Hauses Domus Pacis. Schon früh
stand fest, dass es mindestens 2 Nächte waren, in denen wir diese
Gastfreundschaft in Anspruch nehmen mussten, nämlich vor und nach dem
eigentlichen Besichtigungstag. Sonst wäre die Freude und Aufnahmekapazität
doch zu sehr durch die Anstrengung der Reise geschmälert worden. Für die
Besichtigung selbst aber mussten wir noch näher an den Dom heran. Einige Bemühungen
in dieser Hinsicht klappten nicht (z. B. Familie Gruber, besonders dem Sohn sei
herzlich gedankt). Jetzt
wurde in meinem Kopf die Idee geboren: Neben dem Petersdom müsste ich meine
Frau fahren können, sie aus dem Wohnmobil tragen und ihr sagen können: Vor
dir, ja vor dir steht St. Peter! Das wäre schon eine Romreise wert! Vor allem,
wenn wir dort einen ganzen Tag parken dürften, hätte meine Frau genug Zeit,
sich alles wegen der vielen Eindrücke mehrmals anzusehen und sich zwischen den
Besichtigungszeiten hinzulegen. Bei dieser Nähe am Besichtigungsobjekt blieben
ihr, wenn sie gut "drauf" wäre, ca. 2 Std. jeweils zur Besichtigung.
Das zweite und dritte Mal würde es sicher kürzer sein, dass sie im Rollstuhl
sitzen und schauen könnte. - Und wie realisieren? Aber die Malteser schafften es
ja auch, wenn sie mit Kranken usw. nach Rom fuhren, in den Vatikan zu kommen. Frau
v. W. - Freundin meiner Frau - meinte, den Weihbischof Ostermann (Münster)
anrufen, der sie kenne. Das tat ich. Ich denke, er wird sich schon ein wenig
gewundert haben, als ich, ihm völlig unbekannt und dann noch mit dem Wunsch den
Vatikan zu "knacken", bei ihm anrief. Er nannte einen Prälaten aus
dem Bischöflichen Offizialat, der vor gar nicht langer Zeit aus Rom zurückgekehrt
und im Staatssekretariat des Vatikans tätig gewesen wäre. Er hieß Monsignore
M. Hülskamp. Diesen Namen mit demselben Hinweis bekam ich dann auch von Frau
Dombrowski. Beide halfen mir weiter, wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch keiner
wusste, wie sehr. Alles
wies auf diesen Herrn hin. Sollte er der Schlüssel zum Vatikanischen Staatstor
werden? Mein Anruf an das Bischöfliche Generalvikariat. Ja, bekam ich zur
Antwort, Monsignore ist da. Glück gehabt. Ich trug dem Monsignore mein Anliegen
vor. Zunächst verhielt sich der Monsignore sehr still. Hatte es ihm die Sprache
verschlagen? War es eine Zumutung gewesen, ihn anzurufen? Nein! Er schien zu überlegen
und meinte, das müsste eigentlich möglich sein. Er würde Verbindungen
aufnehmen. Welcher Tag es denn sein sollte? Vor längerer Zeit hatten wir schon
den August für Ravenna festgelegt. So nannte ich den 15. August. Doch Einwand
von Seiten meines Telefonpartners, das sei in Rom großer Feiertag: Mariä
Himmelfahrt. So einigten wir uns auf den 16.August. Es war ein Freitag. Ich
sollte einen kleinen Antrag an das Bistum Münster zu seinen Händen schreiben.
Tausend Dank! Ich hätte ihm gern ein Vergeltsgott gesagt. Es wäre aus tiefen
Herzen gekommen. Aber ich wusste nicht, ob das wohl schicklich und nicht zu
plump war. Ich
berichtete alles meiner Frau, die natürlich mein Telefongespräch mitgehört
hatte. Ihre Augen strahlten: "Wenn das klappt! Da muss ich erst einen
Schlaganfall bekommen, um in den Vatikan und Petersdom zu kommen!." Ich
wusste, wie glücklich sie war. Hatten wir doch nie im Leben gedacht, nach dem
Schlaganfall vor 12 Jahren überhaupt solche Reisen jemals wieder unternehmen zu
können. Den
Antrag mit einem Kurzbericht über uns, wir waren ja schließlich unbekannt,
brachten Erika und ich gleich am anderen Morgen früh zum Bischöflichen
Offizialat in Münster. Und dann warteten wir sehnsüchtig. Inzwischen ging die
Packerei weiter für die Fahrt nach Südfrankreich, wohin wir doch mit den
Enkelkindern und meiner Tochter und Mann fahren wollten. Terminierung Noch
vor der Abfahrt nach Südfrankreich wurden für die Romfahrt der Anfahrts- und
Abfahrtstag, die sich aus dem Besichtigungstag ergaben, festgelegt: der 15. und
17. August. Da wollten wir ja schon in Ravenna sein, also von dort nach Rom
starten. Mit diesen Terminen waren auch die Übernachtungen auf dem nachts
abgeschlossenen Parkplatz der Domus Pacis endgültig festgelegt. Frau Dombrowski
regelte das freundlicherweise über Frau Pollio in Rom, sodass die Leitung der
Domus Pacis auch Bescheid wusste. Also war die aufregende Abfahrt von der
Zwischenstation Ravenna nach Vatikanstadt am 15.8. vorgesehen. Der
kleine Unsicherheitsfaktor: Blieb der 16.8. als Besichtigungstag? Er musste ja
dem Vatikan passen! Wenn wir aus Frankreich zurückkamen, das war
voraussichtlich der 25. oder 26.Juli, blieb nicht mehr viel Zeit, den Plan zu ändern,
wenn der vorgesehene Termin von Rom verworfen würde, da wir ja schon am 4.
August nach Italien fahren wollten.
Der
16.8. blieb Als
wir aus Frankreich am 25.7. zurückkamen, war mein erster Weg zum
Faxgerät. Es musste doch eine Nachricht aus Rom/Münster da sein. Und wenn
nicht? Dann wurde es allmählich knapp. Denn wie sollten wir eine Nachricht
bekommen, ob alles klappen würde, wenn wir schon unterwegs waren. Aber es lag
ein Fax von Monsignore M. Hülskamp vor, in dem vorangekündigt wurde, dass ein
Parkplatz im Vatikan zu erwarten sei und es wurde auch der 16.8. als Datum bestätigt.
Eine offizielle Bestätigung von Rom käme in Kürze. Ich schrie vom
Arbeitszimmer aus, wo das Faxgerät steht, meinen Jubel meiner Frau im
Schlafzimmer zu, als ich die Nachricht las. Wie
im Fax angekündigt, geschah es auch. Ein hochoffizielles, aber ein sehr
freundlich und persönlich gehaltenes Schreiben aus dem Staatssekretariat des
Vatikan kam per Post kurze Zeit später, geschrieben von dem Erzbischof Giovanni
Battista. Es war geschafft. Jetzt fehlte nur noch die Information, wie ich die
Übernachtung Domus Pacis und den Eingang zum Vatikan finden konnte. Hier half
ein Anruf bei der Reisevereinigung in Rom. Der Sohn von Frau Pollio gab mir
dankenswerterweise gute Hinweise, die mir sehr halfen und Sicherheit gaben. Wir
- Erika und ich - waren sehr glücklich. Ein Traum schien sich zu erfüllen. Nun
machten die Vorbereitungen doppelt Spaß. Probleme Viele
medizinische Vorbereitungen mussten getroffen werden, wobei uns unser Hausarzt
Dr. Bührig sehr hilfreich war. Ein Krankheitsbericht und Verordnungsvorschläge
bei evtl. Komplikationen waren schon im letzten Jahr (Lourdes) von ihm erstellt
worden. Am
4. August fuhren wir am Spätnachmittag, wie vorgesehen, in
Richtung Basel ab. Wir konnten - wie schon berichtet - den Campingplatz Classe
in Ravenna ja schon am 3. Tag gegen 20 Uhr unserer Reise erreichen, sodass eine
dritte Übernachtung sich erübrigte. Zufrieden,
dass alles so schnell gegangen war, wenn auch die Fahrt insgesamt sich mitunter
sehr schwierig gestaltete, da Erika Spasmen hatte, der Arm wegrutschte, die
Beine durch die Schwingungen des Wagens in Zittern gerieten, der Kopf zu niedrig
lag oder verrutschte, da die Straßen nicht in guten Zustand waren u.a. mehr und
ich jedes Mal einen Parkplatz anfahren musste. So fuhren wir einige Male
wirklich von Parkplatz zu Parkplatz auf der Autobahn, und die waren manchmal
jeweils nur 1 bis 2 Km voneinander entfernt. An dieser Stelle sei daran
erinnert, dass Erika wegen des "Zuckers" sechs Mahlzeiten bekommt, die
je nach Konsistenz der Nahrung ½ bis zu 1 Std. beanspruchen. Doch wir kamen in
Ravenna auf dem Camping-Platz gesund an. Beide zwar ein wenig mitgenommen. Ein
Schlenker nach Pisa ? In
Ravenna im Camping Classe überlegten wir dann noch einmal alles. Wir wollten
doch auch so gern, wenn wir schon mal in Italien waren und nicht wussten, ob und
wann wir noch einmal dahinkommen würden, zum Torre pendente, dem schiefen Turm
von Pisa. Es waren ca. 700 km über den Schlenker Pisa nach Rom! Alles
in einem Tag? So wurde ein Tag früher der Abfahrtstag für Rom festgelegt. Wir
fuhren also von Ravenna am Mi., 14. 8., und nicht erst am 15.8. ab. Zuerst nach
Pisa. Den
Schiefen Turm und den Dom von Pisa sahen wir schon von weitem. So war unser Ziel
leicht zu finden, weniger leicht ein Parkplatz. Zu schmal, zu kurz, keine Möglichkeit
einzuparken. Das Wohnmobil mit seinen 6 Metern und dem Fahrrad hinten drauf war
einfach zu lang und mit seinen 2,27 m zu breit. Schließlich fanden wir in der
Seitenstraße einer Seitenstraße ganz viel Platz: dort standen noch mehr
Wohnmobile von unserer Sorte. Gut 5 Minuten zum Dom, aber welcher Straßenzustand.
Da half nur eins: den Rollstuhl nach hinten kippen und auf den Hinterrädern
schieben. Kangeruh-Fahrt!
Von
fern unwirklich wie vom Zuckerbäcker zubereitet, beim Näherkommen wie
Filigranschmuck in der Sonne und wenn man davorsteht eine Ausstrahlung von
Harmonie und Gleichmaß, das waren die drei Bauwerke in Pisa. Unbegreiflich schön.
Schnell bringt der glatte Marmor den, der den Rollstuhl schiebt in die
Wirklichkeit zurück. Vorsicht, höchste Rutschgefahr! Besonders, wenn es Stufen
gibt. Wir "rollgehn" durch das Baptisterium, die größte Taufkapelle
der christlichen Welt. Versuchen in den Brunnen zu schauen, was uns nicht
gelang, bewundern die farbigen Glasfenster. Mussten wir hier zahlen, so kamen
wir in den Dom umsonst hinein. Sehr beeindruckend war dort die Kanzel. Auf einer
solchen Kanzel wirkt sicher auch nur ein rede- und gestengewaltiger Prediger.
Hoffentlich hatten die Zuhörer immer Glück. Von
Pisa aus ging es dann wieder zurück nach Firenze, dann in Richtung Rom bis
Castilgione del Lago, unser Zwischenhalt, wo wir abends um 20 Uhr auf dem
Campingplatz ankamen. Am nächsten Morgen ging es dann von dort nach Rom. Übernachtungsmöglichkeit
in Rom Rom
nähern wir uns mit dem Wohnmobil am Spätnachmittag. Doch eine wenig Zögern
und eine falsche Entscheidung und wir fahren von Norden kommend auf dem
Stadtverkehrsring rund um Rom, um den ganzen Osten, den Süden bis zum Westen:
Uscita Via Aurelia. Dabei hätten wir es so schnell haben können: rechts ab
nach Westen und eine der nächsten Ausfahrten war schon die gewünschte. Aber so
dauert die Rundfahrt länger, eine ¾ Std., immer in der Sorge, dass Erika wegen
Spasmen usw. Hilfe brauchte, die ich ihr nicht geben konnte, da eine
Parkgelegenheit kaum erkennbar war. Aber es ging ohne Probleme ab. Und
dann war die Ausfahrt Via Aurelia endlich da. Über die Via Aurelia Antiqua
weiter, links musste die Via di Torre Rossa abgehen. Das musste sie sein! Und
Domus Pacis sollte unmittelbar am Knick liegen! Und schon mussten wir zurücksetzen,
da wir vorbeigefahren waren. Hinein zur Anmeldung. Aber es war kompliziert.
Sprachverwirrung! Es dauerte einiges, bis sich alles löste. Nun hatten wir
unseren Parkplatz und abends sogar Essen - von 7.30 bis 8.30 Uhr - zu einem
annehmbaren Preis. Wir waren sehr beruhigt, einen sicheren Parkplatz zu haben,
der über nacht abgeschlossen wurde. Dann der erste Ausflug in Rom gleich nach
unserer Ankunft am selben Abend. Erkundungsfahrt
? - Irrfahrt!
Eigentlich
hatte ich gehofft, mal schnell mit dem Fahrrad bis zu St. Peter zu fahren, damit
ich am nächsten Morgen mich nicht verfuhr. Aber auf dem Campingplatz in Ravenna
stellte ich fest, dass mein Fahrrad nicht verkehrssicher war. Ich hatte mein
Fahrrad zuhause gegen Rost gestrichen, die abmontierten Teile wieder
angeschraubt. Aber wo war die Klingel? Die hatte ich doch glatt vergessen
anzuschrauben und zu Hause gelassen, und ohne Klingel wollte ich in Rom nicht
fahren. So setzte ich Erika in den Rollstuhl und glaubte, mit meinen schnellen Füßen
es bis dorthin zu schaffen. Doch - die Bürgersteige sehr schmal, bergauf-bergab,
holprig, keine Bürgersteigauffahrten. Schon zweihundert Meter nach der nächsten
Kreuzung gaben wir auf. Diese Gegend war absolut rollstuhluntauglich. Und dann
kam die Strafe für unsere Frivolität. Der Rückweg wurde so lang. Da konnte
doch etwas nicht stimmen! Gefragt. Autofahrer sehr freundlich, aber richtig
helfen konnte er auch nicht. Zumindestens konnten wir auf der Stadtkarte orten,
wo wir waren. Wir
waren vom Weg abgekommen (und das in Rom!). Wir hatten die Via di Torre Rossa
gar nicht auf dem Rückweg erreicht, weil wir eine Straße zu früh eingebogen
waren. Und die führte weg von Domus pacis. Alles in allem eine halbe Stunde längerer
Fußmarsch. Und es war anstrengend und auch gefährlich, denn die Straße, die
wir auf dem Rückweg benutzen mussten, hatte gar keinen Bürgersteig: Sie hieß
Via Aurelia Antiqua. War ja auch nicht zu erwarten bei einem derartigen Namen. Es
ist so weit Freitag,
16.August 1996! Es
ist 6.15 Uhr, als ich aufstehe. Also heute ist der Tag! Wir werden St. Peter
sehen. Damit alles klappt, muss alles im Hinblick auf meine Frau gut organisiert
sein. Aber auch meine Bedürfnisse mussten eingebaut werden. Also: Bett abbauen,
aufräumen (gestern Abend war ich zu sehr kaputt, als dass ich mir das Aufräumen
antun wollte), Stuhlgang regeln, waschen, füttern, anziehen, die Liege von
Erika für die Fahrt sichern, nochmals in den Stadtplan gucken. Hatte ich das
Vatikan-Schreiben griffbereit? Um
8.15 Uhr fahren wir los. Ich finde alle Straßen. Auf der Via Gregorio VII sehe
ich dann zum ersten Mal die Peterskuppel. Ich rufe es meiner Frau zu und dann
fahren wir schon an den Säulen des Petersplatzes vorbei auf Einfahrt und
Schweizer Garde zu. „Ich kann’s nicht fassen“ entfährt mir, und ich habe
das Gefühl, als wenn mir das Wasser bis zum Hals steht. Ich höre, dass es
meiner Frau hinten im Wagen nicht besser geht. Aber das ist genau völlig falsch
gesagt! Uns geht es sehr gut, und wir sind high, gerührt, nur die Freude treibt
uns die Tränen in die Augen. Also reiß dich zusammen, Kerkhoff, damit du
ordentlich sprechen kannst, wenn die erstaunten Gardisten gleich an das
Wohnmobil treten. Der erste versteht uns nicht, der zweite schaut auf unser
Schreiben vom Erzbischof und schickt uns verwundert weiter zu der blauen
Vatikanspolizei. Die nimmt das Schreiben, sucht ein anderes und vergleicht. Man
winkt, wir sollen dem vorausgehenden Vigilanza-Mann folgen. Und mein Schreiben
des Vatikans? Das hätten die doch glatt behalten, wenn ich es nicht zurückgefordert
hätte. Nur
15 Meter
Wir bekommen einen Parkplatz unter einem großen schattigen Baum. Einer Weide? Hinter uns liegt in ca. 15 m Entfernung der Petersdom. Wir stehen auf der Piazza S.Marta. Erika und ich schauen uns an. Wir können es immer noch nicht glauben, obwohl wir den Dom so dicht bei uns haben.
Damit sie gut und damit lange sitzen kann, muss sie genau in der
Mitte vom rechten und linken Seitenteil und einige cm weg von der Rückenlehne
platziert werden. Das machte ich dann bis zum Abend insgesamt viermal, aber auch
wieder retour in das Wohnmobil. Höchstleistung in Rom wie nie zuvor. Ich
drehe Erika mit dem Rollstuhl und fahre sie rund um den Wagen, damit sie sieht,
wo wir stehen und wie es um St. Peter aussieht. Der Eingang, der uns in das
Innere des Domes führt, ist rollstuhlgerecht, aber man muss gut schieben und
die Tür zum Inneren vorher öffnen, wenn nicht einer hilft. Aber es ist ein
„Wächter“ da, der helfen kann und es auch tut. Nur das erste Mal konnte ich
mich nicht verständlich machen, außerdem saß der Wächter ganz tief in seinem
Zimmerchen, sodass er uns nicht sehen konnte, da dieses Zimmer mitten auf der
Steigung lag. St.
Peter
Der Eindruck vom Innern St. Peters war für mich überraschend. Hoch, sehr hoch, überall Bilder, Skulpturen, teils ja übergroß, an jeder nur denkbaren Stelle eine Figur oder ein Bild, der Boden mosaikartig aufgearbeitet. Alles gewaltig, ich kam mir sehr klein vor. Wir verschafften uns einen Überblick unter Beachtung der Schiffe des Domes und eilten dann in Richtung Petersplatz. Drei Stufen. Kein Problem. Da lag er vor uns. Der Petersplatz, den wir aus dem Fernsehen, aber immer voller Menschen, kannten. Erika erinnerte an meinen Vater. Was der für eine Freude hat, meinte sie, wenn er uns hier von „oben“ sieht. Wo er doch, als er mit Mutter bei uns war, keine Möglichkeit ausgelassen hatte, den Papst in Rom am Fernsehen zu sehen.
Dann stellte ich fest, dass Erika vom Rollstuhl
aus erhebliche Schwierigkeiten hatte, zwischen den Gitterstangen
hindurchzusehen, die nur die Möglichkeit ließen, rechts und links den Dom,
genauer die Empore vor dem Dom über Stufen zu verlassen. Einmal konnte sie nicht nach oben
sehen, dann nicht nach unten, dann nicht links und dann nicht rechts. Also den
Rollstuhl hin- und herschieben, vor- und zurücksetzen, bis sie alles gesehen
hatte. Auf
den Hinterrädern
Jetzt entschlossen wir uns ganz anders als geplant. Wir wollten die Sixtinische Kapelle sofort besichtigen, die ja direkt neben dem Dom liegt. Aber um dort hinzukommen, muss man mindestens 1 km laufen und dann noch durch das gesamte Vatikanische Museum eilen (den Weg wieder zurück). Also los. Zuerst zurück zum Seitenausgang, wo unser Auto stand, anders konnten wir den Dom nicht verlassen. Dann an der Seite des Domes durch die Wache und quer über den Petersplatz die Vatikanmauer entlang. Nach schon kurzer Zeit war für uns auf dem Bürgersteig kein Platz mehr. Der Bürgersteig vor uns, an der Vatikanmauer entlang, war von Menschen besetzt. Reihen von 4-5 Personen nebeneinander. Wir fuhren auf die Straße, ahnend, dass das wohl die Schlange war, die auf eine Karte und den Eintritt ins Vatikanische Museum und eben auch in die Sixtinische Kapelle wartete. Die nächste Ecke genommen. Richtig! Die Schlange endete nicht. Weiter auf der Straße. Wenn es keine Möglichkeit gab, irgendwie an den Wartenden vorbei ins Museum zu kommen, dann war für uns der Plan, die capella sistina zu sehen, eine Utopie. Wir hatten jetzt schon Mitleid mit denen, die da standen und auf Einlass hofften, obwohl wir selbst ja auch nicht wussten, ob wir mit unserem Vordringen bis zur Kasse, indem wir alle Wartenden übergingen, Erfolg haben würden. Endlich
- ich hatte den ganzen Weg den Rollstuhl nur auf den Hinterrädern gekippt
gefahren, damit es nicht so ruckelte wegen der schlechten Straße, - endlich die
Kasse. Oh, eine Rampe für Behinderte! Und dann ging es eigentlich sehr schnell.
Über die Rampe. Eine Aufsicht besorgte uns 2 Karten. Keine Bezahlung nötig. In
den Aufzug und schon waren wir oben vor dem Eingang des Museums, wo auch
„Sixtinische Kapelle“ zu lesen war. Und jetzt? Ich ging zum Ausgang des
Museums, der neben dem Eingang auf dieser Etage lag. Doch man verwies uns auf
den Eingang. Aber da standen wohl hundert Leute, die ich vorher auch gesehen
hatte. Ich mit Erika zurück zum Ausgang, wo man uns eben abgewiesen hatte. Eine
Aufsicht kam, schaute unentschlossen und öffnete uns dann doch mit hin und her
wiegendem Kopf die Pforte. Wir hatten es geschafft. Wie weit wohl die Wartenden
in der Schlange, wo wir uns hätten anstellen müssen, vorgerückt waren? Ich
erinnerte mich wieder an den Tipp meiner Schwester (Cissi): Wenn du die
Sixtinische Kapelle schnell erreichen willst, hatte sie gesagt, darfst du dich
nicht aufhalten, nicht nach rechts, nicht nach links gucken. Und das taten wir
auch. Ein Treppenlift half über die letzte Hürde und dann - mit der Aufsicht
voraus gegen den Strom der Leute - durch die sehr schmalen Gänge mit dem
Rollstuhl, wo eigentlich nur zwei Menschen nebeneinander Platz hatten. Bei einer
rechtwinkligen Biegung kamen wir nicht herum, wir benötigten die ganze
Flurbreite. Bis die Leute gesehen und begriffen hatten, war unser Museumsengel
schon weit voraus und ich musste ihn rufen. Dann ganz plötzlich Öffnung des
Raumes. Wir stehen in der Sixtinischen Kapelle. Unsere
Augen müssen sich an die Dämmerung gewöhnen, aber auch an die mit farbigen
Bildern übersäten Flächen. Da Erika nicht nach oben schauen kann
(Schwindelgefühl), schauen wir jeweils in die andere Hälfte des Raums. Wir
suchen uns bekannte Bilder, darunter sind viele, die mein Vater kurz nach dem
Krieg von Postkarten in schwarzer Kohle vergrößert abmalte, verschenkte, aber
auch verkaufte, um die schmale Pension aufzubessern. Die
Menschenmenge so dicht, dass man mit dem Rollstuhl nicht weiterkommt, ohne dass
ich mit dem Po rückwärts gehend den Rollstuhl hinter mir herziehe, denn wir
mussten ja in die andere Hälfte der Kapelle, um den Teil zu sehen, in dem wir
eben standen. Welche Pracht!
Früher
Rückzug Ich muss hier raus, sagte meine Frau plötzlich. Das fast hautnahe Gedränge, das Auf- und Abschwellen der Stimmen - da machte doch einer immer wieder „pssst“ und alles wurde erwartungsvoll ruhig -, das üppige Bilderangebot, die Wärme usw. - meine Frau bekam Platzangst. So machten wir uns auf den Rückweg. Die Aufsicht hatte uns schon erwartet und bahnt uns den Weg durch die Menge und schmalen Korridore. Zurück in den anderen Teil des Vatikanischen Museums, dort geht es Erika besser. Doch bald drängt Erika, zum Wohnmobil zurückzukehren. Doch da ist noch der Weg bis zum Petersplatz und hinter den Dom. Zurück und vorbei an den Hunderten von wartenden Museumsbesuchern auf dem Bürgersteig, immer auf den Hinterrädern des Rollstuhls. Die Straße ist immer noch die gleiche unbequeme Rollbahn. Beide ziemlich fertig kommen wir an der Seite des Domes bei den Gardisten an. Wohin? fragt einer der Gardisten, der andere steht wie ein Zinnsoldat vor dem Wachhäuschen. Und zwar so starr, dass ich zuerst gedacht habe, es wäre eine große Schaufensterpuppe, weil ich mir nicht denken konnte, dass es im Vatikan so etwas Militantes geben könnte. Zum
Wohnwagen! ist meine Antwort. Alles klar! Wir dürfen passieren. Hat es sich
herumgesprochen, dass wir hinter dem Dom parken? - Weißt du, woran ich denken
musste, als wir die Gardisten passierten? fragt mich Erika einen Augenblick später,
auf unserer Weihnachts-Krippe trägt die Carolin (Tochter als Krippenfigur)
einen kleinen Gardisten als Püppchen zur Krippe hin. Richtig, antworte ich, das
hat uns Cissi (Schwester) mal aus Rom mitgebracht. Seltsam, wenn man soetwas
dann lebendig sieht. Einmal
den Tiber sehen
Im
Wohnwagen bedürfen wir beide der Ruhe. Es ist 11.30 Uhr, wir waren gut 2 Std.
unterwegs. Ich bin völlig in Schweiß gebadet. Dass es so anstrengend werden würde,
hab ich nicht gedacht, kommentiert Erika. Im Wohnwagen und draußen 30 Grad
trotz schattigem Baum. Tür und alle Fenster auf. Muskelkater macht sich in
Armen und Beinen bemerkbar, ich brauche einen Stuhl, besser ein Bett. Doch
nach kurzer Zeit muss Erika frühstücken. Dann erst ist Ruhezeit. Bis 14 Uhr.
Dann ist Erika zu neuen Taten bereit. Wir fahren ein Stündchen über den
Petersplatz, über die Via p. conciliazione zur Ponte Vitt. Emanuele II, einer
Tiberbrücke, von der wir das Castel Sant´ Angelo gut sehen können. Den Tiber
unter sich zu sehen, von dem ich so oft im Lateinunterricht gelesen hatte, das
musste einfach sein. Dann wieder zurück zum Wohnwagen, Erika muss flachliegen.
Wir wollen ja noch einmal in den Dom. Dritte
Ausfahrt Zu
dieser zweiten Domvisite und letzten Unternehmung brechen wir nach kurzer Pause
auf. Wir wollen uns den Dom genauer ansehen. Wir sehen den großen Baldachin mit
den Bienen auf den Schilden, die Gräber der Päpste, den Petrus, dessen rechter
Fuß besondere Ehrung für Ablässe erhielt, noch heute kommen die Gläubigen
und berühren den Fuß, so haben wir selbst gesehen. Wir finden die Pieta, heute
hinter Glas, obwohl uns von der Aufsicht am Morgen gesagt wurde, sie sei im
Vatikanischen Museum ausgestellt. Wir freuen uns sehr. Die Orgel ertönt. Ein
Gottesdienst beginnt. Wir setzen uns in die Bänke. Doch erfasst uns bald ein
wenig Unruhe. Wir wollen noch schauen und schauen. Als es 18 Uhr (Schluss der
Besichtigungszeit für den Dom) schlägt, sind wir gerade vor dem Dom, um noch
einmal über den Petersplatz zu sehen. Wir müssen durch den Dom zurückfahren
und hoffen, dass unser Nebenausgang noch geöffnet ist. Er war es. Als wir aus
dem Dom herausrollen, stellen wir beide fest, unser Traum ist ausgeträumt. Ab
jetzt hat die Rückreise begonnen. Genugtuung, Freude und Trauer. Nach
Ravenna und zurück nach Deutschland
Wir
fahren mit dem Wohnmobil zurück zur Übernachtung nach Domus Pacis. Meine Frau
ist noch immer in Hochstimmung. Sie isst mit mir im Speisesaal des Hauses Pacis
zu Abend. Ich bin ganz happy. Welch ein Abschluss der Romfahrt. Am
nächsten Morgen fahren wir zurück nach Ravenna, Camping Classe. Wir schaffen
es in einem Tag, obwohl es Samstag ist, alle Italiener hin- und herreisen und
wir zwei Staus überstehen mussten. Gutes Wetter in Camping Classe bringt uns die nötige Erholung.
Die Rose auf dem Tisch ist ein Geschenk zweier junger Männer, die unweit von uns in einem Wohnwagen wohnten. Sie grüßten und sprachen mit uns, wenn sie mit dem Fahrrad bei uns vorbei zum Strand fuhren, den wir leider wegen der schlechten Wege nicht aufsuchen konnten. Alles auf Englisch. Eines Morgens, wir saßen gerade beim Frühstück , kam der eine von Ihnen mit einer wunderschönen Rose, die in einer Weinflasche stand. Er schenkte sie Erika. Erika hat sich sehr gefreut. Die beiden Männer kamen aus Mailand, stellten wir fest, als wir uns am Ende unserer Ferienzeit bei Ihnen verabschiedeten. Noch einmal gingen wir auf Kulturtrip und zwar fuhren wir nach Ravenna. Die Kathedralen S. Vitalis und di Classe konnten wir gut mit unserem Wohnmobil anfahren. Es waren dort Parkplätze. Schwierig allein war, die Zufahrt zu finden, da alle Straßen in die Stadt für größere Wagen gesperrt waren. Die dritte Straße von der Autobahn nach Rom kommend bot uns eine Möglichkeit.
Wir sind glücklich, dass wir diese Pracht gesehen
haben. Am
28.8. brachen wir in Italien auf. Am 30. hatte uns Albersloh und die Familie
wieder. Es
hat alles so gut geklappt! Dank an alle, die geholfen haben. In Deutschland und
Italien. Danke! Danke! Auch denen, die uns gedanklich begleitet haben. Wir
sehen unserem Urlaub für das nächste Jahr frohgemut entgegen. Als Ziel ist der
Wallfahrtsort Fatima in Portugal geplant, Hinreise über Frankreich den Atlantik
entlang, Rückweg über Spanien das Mittelmeer entlang und über Frankreich von
Süden Richtung Norden nach Deutschland.
Nachruf
Aus ihrem Leben Erikas
Gedichte Anekdoten
Veröffentlichungen 48!
Und behindert
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